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Brautführer Sonnenstern und Neva das Bräutchen

Ivana Brlić-Mažuranić

autor

zbirka

Aus Urvaterzeiten - Marchen aus kroatischer Urzeit

godina

1999.

jezik

njemački

jezik izvornika

hrvatski

medij

tiskani tekst

prevoditeljica

Camilla Luzerna

ilustrator

Vladimir Kirin

sken

ilustracije

priča

          Waren also einmal ein Müller und eine Müllerin, beide harten und ungerechten Herzens. Brachten des Kaisers Diener Korn, das gemahlen werden sollte, so mahlte der Müller das Korn, nahm keinen Lohn dafür und sandte dem Kaiser noch Huldigungsgaben, um sich nur ja bei dem mächtigen Kaiser und der stolzen Kaiserstochter beliebt zu machen. Kam aber armes Volk mit Getreide, so behielt der Müller von zwei Mäßlein eines als Lohn für sich; anders tat er es nicht.

          So kam auch eines Tages – just um die Winterwende war es und hundekalt – ein Altmütterchen vor die Mühle, in Lappen und Lumpen. Die Mühle stand am Bache in einem Hain und niemand konnte wissen, woher das Weiblein gekommen war.

          Das war aber nicht so ein Altmütterchen, wie Altmütterchen eben sind. Das war niemand anderer als Mokosch. Und Mokosch vermochte in allerlei Gestalt zu erscheinen: als Vogel, als Schlange, als Altmütterchen oder als Jungfrau. Und Mokosch vermochte allerlei zu vollbringen: Untat und Guttat. Aber wehe dem, der sich ihr vermaß, denn sie stak voller Bosheit. Mokosch hauste im Schlamm am Rande der Sümpfe, in denen, wenn es Herbst ward, die Sonne zur Ruhe ging, Bei ihr pflegte der Sonnenstern winterüber zu nächtigen, und Mokosch kannte Scharfe Kräuter und kräftige Sprüche und wiegte und koste das schwache Sonnensternlein, bis es sich um die Winterwende verjüngte und neu zu strahlen begann.

          Mit: »Habt guten Tag!« begr ...

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Brautführer Sonnenstern und Neva das Bräutchen

Ivana Brlić-Mažuranić

          Waren also einmal ein Müller und eine Müllerin, beide harten und ungerechten Herzens. Brachten des Kaisers Diener Korn, das gemahlen werden sollte, so mahlte der Müller das Korn, nahm keinen Lohn dafür und sandte dem Kaiser noch Huldigungsgaben, um sich nur ja bei dem mächtigen Kaiser und der stolzen Kaiserstochter beliebt zu machen. Kam aber armes Volk mit Getreide, so behielt der Müller von zwei Mäßlein eines als Lohn für sich; anders tat er es nicht.

          So kam auch eines Tages – just um die Winterwende war es und hundekalt – ein Altmütterchen vor die Mühle, in Lappen und Lumpen. Die Mühle stand am Bache in einem Hain und niemand konnte wissen, woher das Weiblein gekommen war.

          Das war aber nicht so ein Altmütterchen, wie Altmütterchen eben sind. Das war niemand anderer als Mokosch. Und Mokosch vermochte in allerlei Gestalt zu erscheinen: als Vogel, als Schlange, als Altmütterchen oder als Jungfrau. Und Mokosch vermochte allerlei zu vollbringen: Untat und Guttat. Aber wehe dem, der sich ihr vermaß, denn sie stak voller Bosheit. Mokosch hauste im Schlamm am Rande der Sümpfe, in denen, wenn es Herbst ward, die Sonne zur Ruhe ging, Bei ihr pflegte der Sonnenstern winterüber zu nächtigen, und Mokosch kannte Scharfe Kräuter und kräftige Sprüche und wiegte und koste das schwache Sonnensternlein, bis es sich um die Winterwende verjüngte und neu zu strahlen begann.

          Mit: »Habt guten Tag!« begrüßte also Altmütterchen Mokosch den Müller und seine Müllerin. »Und daß ihr mir dieses Säcklein Getreide zu Mehl vermahlt.«

          Altmütterchen setzte ihr Hängesäcklein zu Boden und der Müller sprach:

          »Will's vermahlen: Halbsack dir zu deinen Weizenfladen, Halbsack mir als Entgelt.«

          »Nicht so, Söhnchen! Sonst fehlt's mir an Kuchenmehl zum Winterwendfest, denn ich habe sechs Söhne und als siebenter kam mir Enkelchen Sonnenstern heute zur Welt.«

          »Geh, schwätze nicht Unsinn, alte Närrin«, rief unwirsch der Müller. »Schaust mir gerade wie Sonnensterns Altmutter aus.«

          Rede hin, Rede her, doch der Müller ließ nicht von seiner Forderung: »Halbsack mir!«

          Und so hing die Alte wieder ihr Säcklein um und ging des Weges, den sie gekommen war.

          Der Müller hatte ein Töchterchen, ein Mägdlein wunderschön, sie nannten es Neva das

          Bräutchen. Gleich nach ihrer Geburt hatten die Wilen sie im Mühlenwasser gebadet, so daß alles Böse von ihr abglitt wie Wasser vom Mühlenrad. Und das hatten die Wilen ihr auch geweissagt: Sonnenstern werde bei ihrer Hochzeit Brautführer sein, sie also Sonnensterns Bruderbräutchen! Darum nannte man sie auch Neva das Bräutchen, und sie war denn auch wunderschön und immer lachenden Angesichtes wie der helle Tag.

          Neva dem Bräutchen tat es leid, daß der Müller die Alte fortgeschickt hatte. Sie eilte ihr voran, erwartete sie im Hain und sagte:

          »Komm morgen wieder, Altmütterchen, wenn ich allein bin. Ich mahle dir das Getreide ohne Entgelt.«

          Am nächsten Tage gingen Müller und Müllerin in den Wald, um für den Herd den heiligen Baumstamm zu fällen, und Neva das Bräutchen blieb allein. Es währte nicht lange, da kam Altmütterchen mit ihrem Hängesack.

          »Gutes Glück, Maidlein«, sagte die Alte.

          »Auch dir«, antwortete Neva das Bräutchen. »Warte, Altmütterchen, bis wir die Mühle öffnen.«

          Es war dies eine kleine Schaufelmühle, sie faßte Wasser mit vier gekreuzten Schaufeln und drehte sich wie eine Spindel. Der Müller hatte die Mühle gesperrt und Neva das Bräutchen mußte bis an die Knic in den ciskalten Bach hincin, um die Sperrkette zu lösen.

          Die Mühle hub an zu klappern, die Mühlsteine drehten sich und Neva das Bräutchen mahlte der Alten des Getreide, füllte ihr Hängesäckchen mit Mehl und nahm keinen Lohn dafür.

          »Eh, Dank dir, Maidlein«, sagte Altmütterchen Mokosch, »will dir hilfreich sein, wo immer du deinen Fuß hinsetzen magst, da deine Füßchen das eisige Wässerchen nicht gescheut haben und deine Hände nicht die ungelohnte Müh'. Und meinem Enkel Sonnenstern will ich es sagen, wem er den Weizenfladen verdankt.« Hierauf nahm die Alte das Mehl und verschwand.

          Von diesem Tage an konnte nichts in der Mühle ohne Neva das Bräutchen vor sich gehen. Ehe sie nicht an die Schaufeln rührte, faßten diese nicht Wasser; sah sie nicht im Mehlkasten nach, so wollte er sich nicht füllen. Wenn noch soviel von den Mühlsteinen niederstob, es war, als ob die Erde alles verschlänge, der Mehlkasten blieb leer, bis Neva das Bräutchen Nachschau hielt. Und so ging es mit allem, was mit der Mühle zusammenhing.

          Das währte viele Tage, währte und blieb so; aber Müller und Müllerin begannen das Töchterchen zu beneiden und es zu hassen. Je mehr sie sich mühte und je mehr sie erwarb, desto finsterer schauten sie auf das Kind, dem alles das singend gelang, woran sie sich schier die Zähne ausbrachen.

          So war's auch an einem Morgen zur Sommerwendzeit, wo der Sonnenstern, machtvoll und glutend wie geschmolzenes Gold, über den Himmel zog. Jetzt nächtigte er nicht mehr im Schlamme, wurde nicht mehr von Mokosch gewiegt, jetzt herrschte der Sonnenstern über die Welt, ihm gehorchten Himmel und Erde. Neva das Bräutchen saß also an jenem Sommerwendmorgen vor ihrer Mühle.

          »Könnte ich fort von hier, da ich ihnen, den Mißgelaunten, nichts recht machen kann!« dachte sie.

          Kaum hatte sie dies gedacht, da stand jenes alte Weiblein, Altmütterchen Mokosch, vor ihr.

          »lch werde dir helfen«, sprach sie, »aber du mußt mir in allem gehorsam sein und darfst dich mir nicht vermessen, davor hüte dich! Sieh, heute morgens hat die stolze Kaiserstochter, während sie auf der Wiese luftwandelte, die Schlüssel zu ihrer Truhe und Kleinodkammer verloren und jetzt kann sie weder zu ihrer Krone noch zu ihrem Prunkgewand. Sie ließ verkünden: 'Wer mir die Schlüssel findet –  ist's ein Mädehen, so nimmt es die Kaiserstochter als erstes Hoffräulein zu sich.' Komm also mit, ich zeige dir, wo unter Amarantbüschelchen die Schlüssel liegen. Du wirst sie der Kaiserstochter bringen und ihr erstes Hoffräulcin sein. An ihr Knie gelehnt, wirst du sitzen, in Seide gehüllt.

          Sogleich verwandelte Altmütterchen Mokosch sich in ein Rebhuhn und Neva das Bräutchen folgte ihr nach.

          So kamen sie auf die Wiese vors Kaiserschloß. Auf der Wiese hatten sich schon geputzte Ritter und Edelfräulein versammelt und rings um die Wiese hielten Knappen feurige Hengste am Zaum. Nur einer der Hengste ward von keinem Knappen am Zaum gehalten, sondern von einem armen, barfüßigen Bürschchen. Das war der Hengst Oleh-Bans und der wildeste unter allen. Oleh-Ban wieder galt als der schönste Held unter dem Himmelszclt. Jedermann konnte Oleh-Ban unter so viclen Banen und Obergespanen erkennen, weil sein Gewand ohne Schmuck war, aber die Pracht seines weißen Federbusches übertraf alle anderen.

          Ritter und Edelfrauen wandeln also über das Wiesenland, streifen mit ihren Stiefelechen das Gras auseinander und suchen so, ob sich die Schlüssel fänden. Nur Oleh-Ban scheint sich wenig darum zu kümmern, es ist, als hätte er übermütige Spiele im Sinn. Aus dem Fenster aber sieht die Kaiserstochter herab, hat auf die Suchenden acht.

          Wen das Glück erwähle, will sie erspähen. Gute Wacht hält sie, die Kaiserstochter, die stolze, gutes Glück für sich zauberte sie herbei, wär' es Olch-Ban, der die Schlüssel fände!

          Als Neva das Bräutchen und ihr voran Mokosch als Rebhühnchen auf die Wicse kamen, achtete ihrer niemand als Oleh-Ban.

          »Nie noch sah ich ein Mägdlein von solcher Licblichkeit«, dachte Oleh-Ban und ging auf sie zu.

          Da fiel auch der Kaiserstochter vom Fenster aus Neva das Bräutchen ins Auge; doch stolz und herzlos, wie sie war, sah sie nicht, welch ein liebliches Mädchen da unter die Suchenden trat, sondern geriet in Zorn und sagte: »Das fehlte mir noch, daß solch eine unfeine Magd die Schlüssel fände und mein Hoffräulein würde.« So dachte sie und schickte gleich ihre Diener aus, um jenes Mägdlein von der Wiese zu jagen.

          Neva das Bräutchen ging die Wiese entlang, wohin das Rebhuhn sie führte. So kamen sie bis zur Mitte der Wiese, die von Amarantbüschelchen überwachsen war. Das Rebhuhn schob zwei Blätter an deren Rand auseinander, da lagen die Schlüssel darunter.

          Neva das Bräutchen bückte sich, hob die Schlüssel auf, als sie aber im Kaiserschloß die stolze Kaiserstochter erblickte, erschrak sie und dachte: »Wie könnt' ich der Kaiserstochter Hoffräulein sein!«

          In diesem Gedanken sah sie um sich, da stand ein Held neben ihr, so herrlich und hehr, als hätte der Sonnenstern sich mit ihm verbrüdert. Das war Oleh–Ban.

          Rasch besann sich Neva das Bräutchen und statt zu tun, wie ihr Mokosch geheißen, bot sie die Schlüssel Oleh–Ban.

»Hier nimm die Schlüssel, du fremder Held, möge die Kaiserstochter dein Trautgemahl werden!« sprach Neva das Bräutchen und vermochte die Augen nicht von dem herrlichen Helden zu wenden.

          Indes kamen schon die Diener mit Peitschen herbei und fielen mit rauhen Worten über Neva das Bräutchen her, um sie nach der Kaiserstochter Befehl von der Wiese zu jagen. Als dies Oleh–Ban sah, besann er sich rascher noch und antwortete Neva dem Bräutchen:

          »Dank' dir für die Schlüssel, lieb Mägdelein, doch mir steht nach andrem der Sinn. Du selbst sollst mein Treuliebchen sein, denn schöner bist du als der Morgenstern. Hier mein wackerer Hengst wird uns in mein ödes Banat, mein Lehensland, tragen.«

          Freudig trat Neva das Bräutchen zu Oleh-Ban. Der aber hob sie zu sich auf den Hengst. Als sie auf dem feurigen Hengste unter dem Fenster der Kaiserstochter vorüberflogen, warf Oleh–Ban die Schlüssel geschickt in die Höhe, so daß sie sich in der Fensteröffnung verfingen.

          »Hier die Schlüssel, erlauchte Kaiserstochter«, rief Oleh–Ban, »zum Glücke gereiche dir Krone und Prunkgewand – ich aber habe mir ein Bräutchen erkoren.«

          Die ganze Nacht hindurch ritt Oleh–Ban mit dem Mägdlein, vor Sonnenaufgang langten sie in seinem öden Banate an, vor Oleh–Bans Feste aus Eichenholz. Um die Feste aus Eichenholz liefen drei Gräben und inmitten der Feste stand ein rauchschwarzes Heim.

          »Das ist Oleh-Bans Burg«, sagte der Held zu Neva dem Bräutchen und lachte selbst darüber, daß er keine schönere Burg besaß. Aber freudiger noch lachte Neva das Bräutchen, schön deuchte es sie, an eines so herrlichen Helden Seite hier herrschen zu sollen.

          Gleich wurden die Hochzeitsgäste geladen, um ihre Vermählung zu feiern. Zwanzig Helden wurden zu Gaste geladen und zwanzig Bedürftige, und mehr des Volkes gab es ohnedies nicht in dem öden Banate.

          Doch damit ihrer mehr und die Hochzeit fröhlicher werde, luden sie aus den Bergen noch Wolf und Wölfin dazu, den fahlen Adler, den grauen Falken und zwei Brantjüngferchen für Neva das Bräutchen: die Turteltaube und das gelenke Schwälbchen.

          Und noch rühmte sich Neva das Bräutchen vor Oleh–Ban:

          »Könnte der Sonnenstern mich erkennen, er käme mir auch zur Hochzeit. Sonnenstern würde mir Brautführer sein, das haben mir Wilen geweissagt.«

          Seht, so kamen die Hochzeitsgäste im rauchschwarzen Heime zusammen, das Fest zu feiern – aber sie wissen nicht, daß ihrer ein arges Verhängnis harrt.

 

*

 

          Der stolzen Kaiserstochter gab es einen Stich ins Herz, als Oleh-Ban vor so viel Herren, Banen und Obergespanen für ihre, der erlauchten Herrin, Gunst dankte und sich ein unbekanntes Mägdlein zur Braut erkor.

          So überredete denn die Kaiserstochter ihren Vater, den Kaiser, beschwor ihn und bat so lange, bis sie ein mächtig großes Heer von ihm erbeten hatte. Auf guten Rossen zog das Heer in Oleh–Bans ödes Banat unter Führung der zürnenden Kaiserstochter.

          Als die Hochzeitsgäste eben zu Tische gingen, kam das Heer in Sicht. So mächtig groß ist es, daß es das ganze öde Banat bedeckt, du kannst kein freies Fleckchen Erde darin entdecken. Und vor dem Heere hörst du Herolde rufen, so laut, daß alle Welt es vernehmen kann:

          »Ein mächtiges, auserwähltes Heer zieht heran, zu züchtigen einen trotzköpfigen Ban. Lebendig fängt es den Ban im rauchschwarzen Haus, der Banin aber reißt es das Herz heraus.«

          Als Oleh–Ban dies vernahm, fragte er Neva das Bräutchen:

          »Fürchtest du dich, schönes Mägdelein?«

          »lch fürchte mich nicht« erwiderte diese freudig. »Ich trau' und bau' auf den finsteren Wolf und die Wölfin, die zwanzig Helden und zwanzig Bedürftigen, am meisten aber auf Held

          Oleh–Ban. Und gute Brautjüngferlein habe ich auch: die Turteltaube und das gelenke Schwälbchen.«

          Da lachte Oleh–Ban, doch schon waren die Hochzeitsgäste flink auf die Füße gesprungen. Heldenwaffen ergriffen sie, die Helden sowohl wie die armen Bedürftigen, und stellten sich an die Fenster des rauchschwarzen Heimes. Gute Bogen spannten sie und seidene Sehnen, um die Kaiserstochter und ihr Heer zu empfangen. Doch das Heer war so mächtig groß, daß weder Oleh–Ban noch seine Hochzeitsgäste noch das rauchschwarze Heim ihm zu widerstehen vermochten.

          Zum ersten kamen der finstere Wolf und die Wölfin um, zum andern der fahle Adler und der graue Falke, die einen übersprangen, die anderen überflogen die Feste aus Eichenholz und die Gräben, warfen sich dem Heere des Kaisers entgegen, wollten in Heeresmitte der Kaiserstochter die stolzen Augen aushacken. Aber hundert Keulenträger erhoben sich, schützten die Kaiserstochter, brachen dem Adler, brachen dem Falken die Flügel und die schweren Rosse stampften sie in die schwarze Erde hinein.

          Näher und immer näher kam das großmächtige Heer dem rauchschwarzen Heime und als es schon im Bereich ihrer Pfeile war, licßen die Hochzeitsgäste ihre seidenen Sehnen schwirren, grüßten mit ihren leichten Pfeilen die Krieger.

          Aber die scharfen Schützen der zürnenden Kaiserstochter zögerten nicht mit der Antwort.

          Flogen die schlanken Pfeile, flogen dahin und daher; doch zahllose Bogenschützen gab's in des Kaisers Heere und einem vom Himmel gesandten Verderben gleich regneten Pfeile gegen die Fenster des rauchschwarzen Heims. Ein und die andere Wunde empfing jeder Held, an die zehn jeder der armen Bedürftigen.

          Doch die schwersten Wunden empfing Oleh–Ban und es sanken dem Helden die Hände, so überwältigten ihn seine Wunden.

          Hin zu Oleh–Ban eilte Neva das Bräutchen, um im Hofe des rauchschwarzen Heims ihm seine Wunden zu kühlen. Während sie seine Wunden kühlte, sagte Oleh–Ban:

          »Wenig konnten wir uns des Glückes freuen, Neva, mein Bräutchen! Hast nun niemand mehr, auf den du trauen und bauen kannst, und dort steht das Heer vor den Toren des rauchschwarzen Heims. Die Eichenriegel wird es zersprengen, die uralten Tore ausbrechen, wir unterliegen, alle kommen wir um: so Wölfe wie Adler, so die armen Bedürftigen, so Oleh–Ban und Neva das Bräutchen.«

          Da fiel Neva dem Bräutchen bei, wie dem Unheil noch zu begegnen wäre.

          »Fürchte dich nicht, Oleh–Ban, ich schicke die Turteltaube, damit sie uns Altmütterchen Mokosch aus den Sümpfen holt. Vielerlei weiß und vermag Altmütterchen Mokosch, sie wird uns helfen.«

          Und Neva das Bräutchen schickte die hurtige Taube aus. Das graue Turteltäubchen schwirrte davon, schneller flog's als der Pfeil von der Sehne und die Pfeile des Kaiserheeres erreichten es nicht. Davon flog's und brachte Mokosch aus den Sümpfen herbei. Mokosch aber hatte sich in eine Krähe verwandelt und auf den First des rauchschwarzen Heimes gesetzt.

          Aber schon war das Heer bis ans Tor vorgedrungen. Schwere Keulen schlugen an Tor und Torstock. Stöße und Schläge dröhnten, es dröhnte der Torweg, dröhnte der Vorhof des rauchschwarzen Heimes, schossen wohl Teufelsschloßen gegen das Tor Oleh–Bans?

          »Sei das Glück mit dir, du meine Mokosch!« bat das schöne Bräutchen die schwarze Krähe, »sei das Glück mit dir, hilf uns gegen die zürnende Kaiserstochter – sieh, so jung kommen wir um!«

          Aber Mokosch, die Arge, hatte es kaum erwartet, ihrer Bosheit freien Lauf zu lassen. Die schwarze Krähe schüttelte die Flügel und sprach:

          »Hilf dir selber, mein Täubchen! Hattest mir zu gehorchen, hattest der Kaiserstochter die Schlüssel zu bringen. Wärest ihr lieb geworden, säßest jetzt an ihr Knie gelehnt, in Seide gehüllt, tränkest aus goldnem Pokal. Dir wurde, was du gewollt! Da hast du jetzt dein rauchschwarzes Heim, im Heime Verwundete und vor dem Heime ein zahlloses Heer. Dir helfe, wer dich hiehergeführt!«

          Auf sprang der verwundete Held Olch–Ban.

          »Laß ab, Neva, mein Bräutchen, von fruchtloser Müh'!« schrie er glühend vor Zorn. »Wie wird eine Krähe je einem Helden beistehen! Du aber, schwarze Unheilkünderin, flieh' von meinem Dach, damit ich nicht, leichte Pfeile verschwendend, vom Firste mir Vögel abschieße.« Dann umschlang Oleh–Ban Neva das Bräutchen und gab ihr einen gar traurigen Rat.

          »Wenn ich im Kaiserheere gefallen bin – dann, mein schönes Bräutchen, geh und beuge dich vor der Kaiserstochter, werde der argen Kaiserstochter Hoffräulein, du, die Oleh-Bans Banin sein sollte!«

          Und dann riß sich Oleh–Ban von seinem Bräutchen los, stürzte durch Vorhof und Torweg, die Eichenriegel zu heben, öffnete so dem zahllosen Heere das Tor, um zu fallen oder sich durchzuschlagen.

          Allein, im Vorhof, blieb Neva das Bräutchen zurück und über ihr auf dem Dachfirst die schwarze Mokosch. Jetzt hört man die schweren Riegel knirschen und fallen, jetzt gibt es nach, das uralte Tor, jetzt wird das unbarmherzige Heer einstürmend Oleh-Ban zum Gefangenen machen und ihr, dem lieblichen Mägdlein, das Herz ausreißen. Was tun und wie? – denkt sie und blickt umher. Will sich niemand des schönen Mägdleins erbarmen, aus bitterster Not es erretten! Holde, liebholde Blicke wirft es über Erde und Himmel. Und wie es zum Himmel aufschaut, sieh, da wandelt der Sonnenstern über den Himmel hin, glüht wie geschmolzenes Gold. Und wie Neva zum Sonnensterne emporsieht, da verwundert der Sonnenstern sich ob solcher Lieblichkeit und sieht sich sofort nach ihr um. Schauen Sonnenstern und Neva das Bräutchen einander an und im Schauen erkennen sie sich. Und gleich fällt es dem Tagesgestirne ein: »Oh, das ist jenes Bräutchen, der ich, der Sonnenstern, Brautführer sein muß. Zu guter Stunde hat es mir einen Weizenfladen geschenkt, zu besserer Stunde zu mir emporgeschaut.«

          Der Sonnenstern hatte gehört, wie rauh kurz zuvor Mokosch die Braut angefahren, wie böswillig sie ihre alle Hilfe versagt.

          Darum donnerte jetzt der Sonnenstern Donnerworte. Vor Schrecken verstummte das ganze öde Banat, vor Schrecken sanken Beile und Keulen und gewaltig donnerte jetzt der Sonnenstern über Mokosch:

          »Hei, Wiegenfrau, ungütiges Herz! Spräche böser Wille auf Erden Recht, da käme ein buckliges Recht zustande! Hast du mich auch aus Schlamm auferzogen, du, Unselige, bliebst im Schlamme. Lustwandeltest nicht mit mir über die Himmelshöh', noch blicktest du mit mir vom Himmel herab, daß du Recht zuzumessen verstündest. Hei, Wiegenfrau, ungütiges Herz! Wird zur Sommerwend' der starke Sonnenstern es vergessen, wer ihn, den schwachen, beschenkt hat zur Winterwende? Oder Brautführer Sonnenstern es der Braut vermessen, daß sie Kaisers Schloß und der Tochter Hofdienst verschmäht und ihr Herz einem Helden geschenkt hat? – Versink in die Erde, schwarze Wiegenfrau, du in die Erde, ich aber vom Himmel helfe dem lieblichen Mägdlein, dem werten Helden.«

          Erde und Himmel gehorchen dem Sonnenstern, wie sollte ihm da jene schwarze Krähe, die Mokosch war, nicht gehorchen! In die schwarze Erde versank sie im Nu, damit sein Befehl sich vollziehe.

          Und der Sonnenstern? Noch einmal so stark, wie er von selber war, glüht seine Glut auf. Brannte die Sonnenglut, brannte von oben herab, ließ das öde Banat erglühen, Himmel und Erde durchglühte sie, ein Erzgebirge würde sie glühen machen.

          Da wurden die Helme der unbarmherzigen Heerschar vor Glühhitze weiß, die schweren Panzer, die Lanzen und Beile erglühten. Schwüle schwächte die zornige Kaiserstochter, schwächte die zahllosen Bogenschützen, brannte doch ihr Hirn unter dem Helme, röchelte unter dem Panzer erhitzt ihre Brust. Wen kein Dach beschützt, der bleibt nicht am Leben.

          Sonnenhitze und Schwüle hat das Hcer übermannt. Zur Erde sinkt es, übereinander quer sinken die Leiber; ruft ein Wahlbruder den andern um Hilfe an- eh er rufen kann, ist er schon gefällt.

          Tötet der Sonnenstern so das unbarmherzige Heer, so hilft ihm Mokosch unter dem Heere, öffnet schlammige Tiefen. Wo der Sonnenstern einen gefällt hat, dort tut sich unter ihm eine schlammige Tiefe auf: in Schlamm versinkt er, der Schlamm schließt sich über ihm. Wo einer gestanden, dort ist auch sein Grab entstanden.

          So sinken, versinken sie, Krieger um Krieger, so Bogenschützen, so die Kaiserstochter, so Beile und Keulen, so alles Kampfgerät. Ein Entsetzen ist's, solch ein Heer anzusehen, wenn der Sonnenstern vom Himmel es richtet. Vom Himmel richtet er und die Erde begräbt! Kurze Zeit nur, ein oder zwei Augenblicke, und verschwunden ist jenes gewaltige Heer – keine Seele lebendig rings in dem öden Banat. Jene nur, die unter dem Dache des rauchschwarzen Heimes weilten, trugen das Leben davon.

          Wieder liegt es in Ruhe da, Oleh–Bans ödes Banat, doch zum Fenster blickt hoffnungsfroh Neva das Bräutchen heraus, sehen will sie, ob der Brautführer milder geworden ob des Sterbens, das Bosheit über die Erde gebracht!

          Schnell genasen die Helden von ihren Wunden, denn gutes Glück stand ihnen bei. Schneller noch genasen die armen Bedürftigen, denn Armut ist durch Elend gehärtet.

          Und wie bliebe Oleh–Ban siech neben solch einem Bräutchen! – Wiel mehr: am Morgen früh schickten sie das gelenke Schwälblein mit Grüßen zum Sonnenstern. Und zur Dämmerzeit kehrte das Schwälblein zurück, brachte Gegengrüße vom Sonnenstern und man möge zum andern Tage die Hochzeit anordnen, der Sonnenstern käme zur Hochzeit.

          So taten sie, ordneten an, luden ein, und was das für eine Hochzeit war und wie da gesungen ward rings durch das öde Banat: das kommt in hundert Jahren nicht wieder vor und ist in zehn Kaiserreichen nicht wieder zu finden.